„Dialog im Unternehmen“

ist eines der Themen in den VDI-Nachrichten, Ausgabe Nr. 16. In dem Interview zwischen Wilhelm Engel und Wolfgang Schmitz (VDI-Redakteur Hochschulen, Karriere, Arbeitsmarkt, Weiterbildung) geht es um die Kompetenzen von Ingenieuren. Wilhelm Engel schildert hier aus der Sicht des Ingenieurs, dass fundierte fachliche Kompetenzen mit kommunikativen Fähigkeiten gekoppelt werden müssen.

„Sicherheit lässt sich trainieren, Angst überwinden“

Von Wolfgang Schmitz | 22. April 2016 | Ausgabe 16

Als der junge Wilhelm Engel noch als Ingenieur arbeitete, wurmte ihn das sichere Auftreten der Kaufleute. „Warum kann ich das nicht?“, fragte sich Engel. Er bildete sich weiter und gründete 1974 die Königsteiner Akademie, in der Ingenieure lernen, im Dialog zu überzeugen.

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Foto: panthermedia/D. Shirosonov

Offen für den Dialog. Das ist mehr als eine Floskel, die Kunst der Kommunikation ist mitentscheidend für den Erfolg.

VDI-Nachrichten: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Menschen in Dialogführung zu schulen?
Wilhelm Engel: Das geht zurück auf meine Zeit als Leiter der Fertigungssteuerung beim Schreibmaschinenhersteller Adler-Werke in Frankfurt. Die Kaufleute und Betriebswirte waren sehr redegewandt; ich, der Ingenieur, habe lieber gerechnet und mich auf Fakten und Daten beschränkt. In Meetings und bei Vorträgen geht es aber meist mehr um die persönliche Wirkung. Ich wollte auch so reden wie die Kaufleute. Ein BWL-Studium sollte es richten. Das war ein großer Irrtum, das sichere Auftreten und die

Redegewandtheit hatte ich trotzdem nicht. Mein Aufbaustudium zum Wirtschaftsingenieur reichte auch nicht aus. Ich kam zu dem Schluss, selbst etwas unternehmen zu müssen. Und so wurde aus meinem Problem ein Beruf.

Vom Ingenieur zum Dialog-Fachmann

Kommunikationsagentur Königsstein

Foto: Königsteiner Akademie

1974 rief Engel zusammen mit Pädagogen, Ärzten und Weiterbildungsexperten in Königstein im Taunus ein Seminarinstitut ins Leben, das die Teilnehmer befähigen sollte, ihre sozialen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.

Daraus erwuchs 1984 die „Königsteiner Akademie – Dialog-Akademie zur Stärkung der kommunikativen Fähigkeiten“, die nach eigener Aussage auf dem Prinzip „Lernen durch Erleben“, also auf wiederholtem Üben, basiert.

 

Wie äußerte sich die Unsicherheit?
Als Vorsitzender des Bundesverbands StrategieForum musste ich vor hunderten Ingenieuren reden. Ich fühlte mich erbärmlich, war nervös und hatte Bauchgrummeln. Es war grausam, verbesserte sich aber nach und nach. Als Sporttrainer war mir klar, hier hilft nur Üben. Was mir Schrecken eingejagt hatte, wurde für mich zu einer Herausforderung.

Warum tun sich viele Ingenieure als Redner schwer?
Das logisch-präzise Denken entschleunigt die Redegewandtheit. Ein Ingenieur trägt zudem große Verantwortung, er muss gründlich sein, er kann nicht aus der Hüfte heraus argumentieren. Er kann aber lernen, beides zu kombinieren, das Logisch-Sachliche mit dem Spontanen.

Wie groß ist der Prozentsatz der Ingenieure in Ihren Seminaren?
60 % bis 70 %.

Zahlen seien Ingenieuren lieber als Emotionen, lautet ein Vorurteil. Bekanntlich ist an Vorurteilen häufig etwas dran.
Viele Ingenieure sind tatsächlich rationallastig. Logik ist für sie ein Muss. Während ein Kaufmann sagt „Das bekommen wir schon hin“, wägt der Ingenieur ab. Das ist zwar nicht grundsätzlich schlecht, besser wäre aber, die eigene Stärke besser vermitteln zu können, also eine Balance zwischen Rationalität und Sprachgewandtheit herzustellen.

Das klingt, als arbeiteten Ingenieure und Kaufleute gegeneinander.
Der Ingenieur muss tatsächlich häufig die Zusagen des redegewandten BWLers ausbaden. Das erübrigt sich, wenn der Ingenieur frühzeitig in den Dialog eintritt, um seinen Standpunkt wirkungsvoll zu vertreten. Die Kraft der Person muss wirken, sonst werden Einwände weggewischt.

Ist Schauspieltalent gefragt?
Der Ingenieur soll in seiner Haut, also authentisch bleiben. Rollenspiele gibt es in unseren Seminaren nicht. Wenn man Tennis spielt, tut man ja auch nicht so, als ob. Wir trainieren Fähigkeiten in kleinen Schritten, indem wir Dialoge aufbauend und mit
Rückkopplung führen. Die Teilnehmer müssen im Königsteiner Dialogtraining nichts grundlegend ändern. Sie lernen nur, wie sie das, was sie schon können, optimal zum Einsatz zu bringen.

Worin besteht die Besonderheit des Dialogs?
Im Gegensatz zur Diskussion führt der Dialog dazu, den Gesprächspartner besser zu verstehen, um gemeinsam eine Lösung zu erzielen. Der Dialog ist hoch konstruktiv, man erlebt ihn aber selten in Unternehmen. Die Entwicklung einer konstruktiven
Dialogkultur ist im Gegensatz zu den rasanten Fortschritten in der technischen Kommunikation noch immer ein Stiefkind der Weiterbildung. Dieses gravierende Ungleichgewicht ist die Ursache vieler an sich unnötiger Probleme. Manche Projekte scheitern nur, weil das Miteinander nicht stimmt.

Sie sprachen von der Kraft der Person. Können junge Ingenieure die Reife zum konstruktiven Dialog haben?
Das Elternhaus spielt hier natürlich eine Rolle, aber man kann auch aus eigener Kraft in diese persönliche Kompetenz hineinwachsen.

Kann man Ingenieuren – auch den impulsiven und nervösen – Gelassenheit bei der Präsentation beibringen?
Beim Reden vor der Gruppe ist zunächst eine natürliche Hemmschwelle zu überwinden. Das geht fast allen so. Sicherheit vor der Gruppe oder Belegschaft ist Voraussetzung, um Führungskraft zu werden. Das lässt sich üben. Unser Training
läuft darauf hinaus, auch ohne große Vorbereitung angstfrei vor einer Gruppe zu reden.

Sind Ängste die größten Hemmschwellen?
Ja, die Angst, sich zu blamieren oder Fehler zu machen, ist eine der häufigsten Ursachen. Wie gesagt: Sicherheit lässt sich trainieren, Ängste lassen sich überwinden. Unser Training nimmt Hemmungen, es ist zuweilen sogar richtig lustig. Die Teilnehmer sind immer wieder erstaunt, wie schnell sie damit ihre Unsicherheiten überwinden können.

Gehören Themen wie Sprache und Präsentieren nicht schon ins Ingenieurstudium?
Sie gehören bereits in die Schule. Durch Dialogtraining lernen Kinder beide Rollen kennen, die des Schülers und die des Lehrers. Zudem wäre das Lernen im Dialog eine enorme Entlastung des Lehrpersonals. Dialogfähig und sozial kompetent ins Berufsleben einzusteigen, würde den Praxisschock, von dem sich viele talentierte Nachwuchskräfte ein Leben lang nicht mehr erholen, erheblich abfedern. Denn erst, wenn der zwischenmenschliche Dialog gelingt, macht auch die Arbeit Spaß.